Was ist Stress? Biologie der Stressreaktion - TEIL 1

Wir alle haben Stress bzw. erleben Phasen hoher Aktivierung im eigenen Inneren, getriggert durch äußere Umstände. Wenn Stress als chronisch und erschöpfend erlebt wird, bekommt er etwas krisenhaftes. Wir haben Stress im Job, mit dem Chef oder Kolleginnen, beim Freizeitstress, Stress durch Konflikte in der Familie und aktuelle Krisen, die die Welt verändern.

 

Es scheint logisch, das Ereignis für die Stress-Reaktion „verantwortlich“ zu machen und den Fokus nach außen – zu dem was passiert ist - zu verschieben. Die Stress-Reaktion ist jedoch etwas, was in mir, auf der Ebene einer körperlichen Reaktion, auf diese Ereignisse antwortet. Die Suche nach dem Verständnis für das „gestresst Sein“ muss daher nach innen gehen und das Erleben von: „Es ist Zuviel“; ich fühle mich überfordert oder sogar überwältigt; ich habe Angst es nicht zu schaffen, usw.“, kann nicht im außen gelöst werden.

 

Es ist praktisch unvermeidlich im Leben Situationen zu erfahren, die auf der körperlichen Ebene und als biologische Reaktionen Stress auslösen. Eine Stress-Reaktion ist zunächst eine unwillkürliche Schutzreaktion bei Ereignissen, die ad hoc nicht verarbeitet werden können. D.h. es gibt eine dem Stress zugrundeliegende „Somatik“, bzw. Körper Geschehen. Stress ist nicht „die Situation oder das Ereignis", sondern die Reaktion in uns auf das Ereignis. Es ist ein autonomer und nicht direkt beeinflussbarer biologischer Ausdruck, wie ein Gähnen oder ein Nießen.

 

Das Problem mit einer starken körperlichen Aktivierung ist, dass die Fähigkeit zur Selbstbeobachtung meistens total ausfällt. Niemand sagt, ich bin das Gähnen, sondern ich habe gegähnt. Genauso ist es mit der Angst. Man sagt: ich habe Angst – nicht: ich bin die Angst. Bei starker Erregung durch ein bedrohliches Ereignis verschmelzen die Ich-zustände und man wird zur Angst. Ein wesentlicher Schritt bei der Bewältigung von erlebten oder aktuellen Ereignissen, die stressauslösend sind, ist, die Fähigkeit zur Selbst-Beobachtung wiederzugewinnen und eine (self-relating) Verbindung zu den inneren Phänomenen herzustellen. Die Frage lautet also: was für Reaktionen zeigt mein Körper, wenn er eine Stressreaktion ausdrückt und wie kann ich damit in Kontakt bleiben?

 

Man kann es auch so sagen, dass was am meisten stresst, ist die situative Unmöglichkeit, den innerlich auftretenden, überwältigenden Gefühlen, durch die autonom anspringende Aktivierung des Nervensystems, in sich zu begegnen und zu übersetzen.

 

Die Reaktion auf Gefahr ist ein Reflex und sichert das Überleben durch folgende vier (Survival-) Reaktionen: Fight (Kampf), Flight (Flucht), Freeze (Erstarren / Totstellen), Fawn (Schmeicheln).

 

Im Fight / Kampf ist die Aktivierungsenergie nach außen gerichtet in Form einer direkten Abwehr einer möglichen Gefahr.

 

Im Flight / Flucht sagt der Körper: die beste Chance zu überleben besteht in der Flucht – wegrennen.

 

Fawning / Schmeicheln ist der Versuch den potentiellen Aggressor zu besänftigen und von der Gewalthandlung abzuhalten. Zu schmeicheln, um sich zu schützen, ist ebenfalls ein unbewusster körperlicher Vorgang zur Abwehr von Gefahr und zur Sicherung des Überlebens **(Luis Mojica, Maya Angelou).

 

Im Freeze / Erstarren versucht sich der Körper unsichtbar zu machen, in dem er sich nicht mehr bewegt (erstarrt) und der Atem so gut wie eingestellt wird. Kollaps ist der Versuch des Körpers sich durch „So tun als wäre ich tot“ zu schützen.

 

Wichtig ist zu verstehen, dass die Überlebens Reaktionen als biologische Programme des Körpers nicht abgeschaltet werden können. Es geht darum mit diesen Phänomenen einen Umgang zu finden. Bei den Tieren löst sich die stressbedingte Erstarrung durch tiefes Atmen und den Schüttelreflex.

 

Für uns Menschen scheint die Auflösung von Stress als Energie im Körper komplexer, weil es um innerlich überwältigende Zustände geht. Es braucht Techniken zum Embodiment, Techniken zur gezielten Entspannung und Beruhigung (z.B. Meditation, Yoga, etc.) und die Herstellung einer Beziehung zu den auftretenden Symptomen, um Sicherheit und Vertrauen in uns Selbst wiederzugewinnen.

 

MEHR DAZU IN TEIL 2 – Emotionsregulierung & Körpergewahrsein

 

 

 

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Herzlichst Cosima Lindemann-Stübbe